10. Medienkonferenz des dbb zur Zukunft des Öffentlich-Rechtlichen: Kein Service ohne Gebühren?

14.09.2015/dbb/Berlin:

Trotz der anhaltenden Debatte um die Finanzierung muss die Qualität des Programmangebots des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auch künftig gesichert sein. Das sagte der dbb Bundesvorsitzende Klaus Dauderstädt zum Auftakt der 10. Medienkonferenz, zu der der dbb am 10. und 11. September 2015 nach Berlin eingeladen hatte. Die Tagung stand unter dem Motto „Programmgestaltung und Finanzierung – Die Zukunft der Öffentlich-Rechtlichen“. Zur öffentlichen Auftaktveranstaltung im dbb forum berlin konnte der dbb Chef eine ganze Reihe prominenter Vertreter aus dem Medienbereich als Gäste begrüßen.

10 SEP 2015, BERLIN/GERMANY: 10. dbb Medienkonferenz 2015 "Programmgestaltung und Finanzierung - Die Zukunft der Oeffentlich-Rechtlichen", dbb Forum IMAGE: 20150910-02

Bei aller kritischen Bewertung des Rundfunkbeitrags, die seit der Einführung 2013 laut geworden sei, dürfe nicht aus den Augen verloren werden, dass dessen eigentlicher Zweck „die Ermöglichung einer unabhängigen, von wirtschaftlichen und politischen Interessen freien Berichterstattung in ARD, ZDF und Deutschlandradio“ sei, sagte Klaus Dauderstädt zur Eröffnung. Dafür habe sich der dbb immer starkgemacht.

10 SEP 2015, BERLIN/GERMANY: 10. dbb Medienkonferenz 2015 "Programmgestaltung und Finanzierung - Die Zukunft der Oeffentlich-Rechtlichen", dbb Forum IMAGE: 20150910-02

Zwei Schwerpunktthemen standen im Mittelpunkt der öffentlichen Veranstaltung. Zunächst informierte der Intendant der Deutschen Welle (DW), Peter Limbourg, über die einschneidenden Veränderungen beim Auslandsrundfunk der Bundesrepublik und über dessen Perspektiven.
Zur längst nicht immer sachlich geführten Diskussion rund um den Rundfunkbeitrag bezog Dr. Hermann Eicher vom Verwaltungsrat des „ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice“ in seinem Vortrag unter dem Motto „Der Rundfunkbeitrag – Dichtung und Wahrheit“ Stellung. „Dazu gibt es Anlass, nicht nur, weil die Einnahmen des Beitragsservice allein 2014 im Vergleich zum Vorjahr um 643 Millionen Euro auf 8,324 Milliarden Euro gestiegen sind und solche Summen natürlich Fantasien über deren Verwendung beflügeln“, hatte Klaus Dauderstädt zuvor festgestellt. So bezeichneten einige Kritiker den Rundfunkbeitrag als „Zwangsabgabe“, Firmen sähen sich überproportional belastet. Hinzu komme, dass ein Bearbeitungsstau im Beitragsservice bei vielen privaten und nicht privaten Beitragszahlern zu Unmut führe.

Intendant über die neue Deutsche Welle

Peter Limbourg, Chef von 2400 Mitarbeitern der Deutschen Welle an den Standorten des Auslandsrundfunks in Berlin und Bonn, machte zu Beginn seines Vortrags deutlich, dass die „Welle“ – obwohl steuerfinanziert – sich nicht als Sprachrohr der Bundesregierung versteht, sondern das gesamte deutsche Meinungsspektrum darstellt. Manchmal eine „Gratwanderung“, machte der Intendant am Beispiel der Berichterstattung über die jüngsten Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Flüchtlingszustrom nach Deutschland deutlich: zwischen dem starken Bild vom Münchner Hauptbahnhof, wo die Ankömmlinge mit Beifall empfangen wurden, und Berichten von gewalttätigen Übergriffen auf Asylbewerberunterkünfte. Aufklärung, so Limbourg, sei ein Kernanliegen der Berichterstattung, mit der die Deutsche Welle dank Sendungen in 30 Regionalsprachen Menschen in aller Welt erreicht. Es gebe im Programm auch Service für Flüchtlinge, etwa einen „Grundkurs Deutschland“ und Sprachkurse. „Und wir wollen nicht nur über Flüchtlinge reden, sondern auch mit ihnen“, sagte Limbourg. Wie gut das funktioniert, belegte er mit einem Einspieler aus „Shabab Talk“. In der arabischsprachigen (deutsch untertitelten) Talksendung für Jugendliche, die allein in Ägypten wöchentlich vier Millionen Zuschauer hat, diskutiert der libanesische Moderator mit jungen Leuten aus Deutschland und den arabischen Ländern über aktuelle gesellschaftspolitische Themen, direkt, offen und ohne Tabus – in diesem Fall mit jungen Flüchtlingen in Berlin.

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Zum zweiten Schwerpunkt seiner Ausführungen machte Limbourg die Behandlung des Konflikts Russland/Ukraine. Dabei habe es die Deutsche Welle mit einer Zunahme von Sendern zu tun, die einseitig berichteten und „erhebliche Propaganda verbreiten“. Auch hier gehe es der DW aber nicht um Gegenpropaganda, sondern um Aufklärung. So gibt es inzwischen eine tägliche TV-Sendung in der Ukraine und die DW habe viele Partner gewonnen, die seriös über und in Russland senden. Zudem sei mit Zhanna Nemzowa, der Tochter des ermordeten Kreml-Kritikers Boris Nemzow, eine profilierte Journalistin als Verstärkung zur Russisch-Redaktion des Auslandssenders gestoßen. In Kürze werde ein Korrespondent seine Arbeit für die DW in Moskau aufnehmen. „Wir wollen Brücken bauen, im Dialog bleiben“, so Limbourg.

Der Intendant ging auch auf das Kernstück des Senderumbaus zur „neuen Deutschen Welle“ ein: den Aufbau des englischsprachigen TV-Kanals und dessen Start im Juni dieses Jahres. Das ehrgeizige Projekt konnte in Angriff genommen werden, nachdem die Politik ihre Finanzzusagen für die Deutsche Welle aufgestockt hatte. Um Botschaften und Werte einem möglichst breiten Publikum zu vermitteln, sei Englisch die Sprache, mit der die meisten Menschen erreicht werden können. Dies bringe auch der neue Claim „Made for Minds“ zum Ausdruck: Das Programm solle kritische Geister ansprechen, die auf der Suche nach umfassenden Informationen, Hintergründen und Analysen sind. Zwar sei man mit dem neuen Angebot „noch nicht nah dran an BBC und CNN“, aber eine deutliche Steigerung der Publikumsresonanz sei bereits erreicht.

Rundfunkbeitrag: Kein Geld auf Bäumen

Über den Rundfunkbeitrag, der seit 2013 vom Nachfolger der GEZ, dem ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice, erhoben wird, war von Anfang an kontrovers diskutiert worden. Und das, obwohl er nach dem Grundsatz „eine Wohnung, ein Beitrag“ eingefordert wird, egal wie viele Personen dort leben und unabhängig von der Zahl der TV-Geräte, Radios und Computer. Die Boulevardpresse schrieb von einer „Wutwelle gegen die GEZ“ und der „Jagd von ARD und ZDF auf vier Millionen Haushalte“, anderswo war die Rede von „Geld, das auf den Bäumen wächst“. Gegen solche „Skandalisierung“ verwahrte sich Dr. Hermann Eicher, bereits seit 1998 Justiziar des Südwestrundfunks und einer der „Väter“ des neuen Finanzierungsmodells, in seinem Vortrag. Ein paar Fakten: Der Rundfunkbeitrag ist hierzulande seit 2009 nicht erhöht, 2015 auf 17,50 Euro abgesenkt worden. Die Beitragseinnahmen pro Jahr liegen derzeit bei 8,3 Milliarden Euro. Der Mammutteil fließt bei Fernsehen und Radio in die Berichterstattung über Politik und Gesellschaft, auch für die Bereiche Unterhaltung, Kultur und Wissenschaft, Sport, aber auch für die Finanzierung von Orchestern wird Geld bereitgestellt. „Fragen Sie 100 Leute nach ihren Wünschen für die Verteilung des Geldes und Sie bekommen 200 Antworten“, sagte Eicher dazu. Seit der Einführung des neuen Beitrags haben sich 1,7 Millionen Beitragszahler abgemeldet (bisher Zahler von Mehrfachbeiträgen in einer Wohnung). Nach einem einmaligen Abgleich mit Daten der Einwohnermeldeämter wurden 8,1 Millionen Bürgerinnen und Bürger angeschrieben, die zuvor nicht im Bestand waren, aber nur 1,2 Millionen von ihnen haben sich angemeldet. Für 4,1 Millionen, die sich nicht zurückmeldeten, hat der Beitragsservice Konten eingerichtet (Direktanmeldung). Davon sind aber laut Eicher derzeit nur 35 Prozent „ertragswirksam“. Dennoch lassen sich die Mehreinnahmen des Jahres 2014 – immerhin 643 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr – fast ausschließlich auf diese Direktanmeldungen zurückführen. Dieses Ergebnis ist nur möglich, weil der Beitragsservice konsequent die Forderungen verfolgt – mit Mahnungen und bis hin zur Zwangsvollstreckung – dazu ist er von der KEF (Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten) verpflichtet.

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Auch das kritische Thema Bearbeitungsrückstand beim Service, das viele Bürgerinnen und Bürger verärgert, sprach Eicher (der Mitglied im Verwaltungsrat ist) an und verwies auf das Volumen der Reform: Zum Start 2013 gab es bis zu 250000 Vorgänge und bis zu 400000 Anrufe täglich beim Beitragsservice. 2014 sind rund 23 Millionen Vorgänge eingegangen und es gab circa 4,5 Millionen angenommene Anrufe. Inzwischen werden 44,5 Millionen Beitragskonten geführt. Allein die Zahl von Mahnmaßnahmen ist von 13090731 im Jahr 2009 auf 20209754 im Jahr 2014 geklettert, die Zahl der Vollstreckungsersuchen erhöhte sich in diesem Zeitraum um über 250000. Hinzu kommt der Personalabbau. 2013 waren beim Beitragsservice 1284 Kolleginnen und Kollegen tätig, 2015 nur noch 1076 – und der Stellenabbau soll 2016 weitergehen. Drei bis vier Monate müsse derzeit auf Antwort warten, wer sich mit einem Anliegen (zum Beispiel einem Widerspruch) an den Beitragsservice wendet. Im Januar 2016 will man laut Eicher wieder „bei der Tagfertigkeit landen“ – das würde immerhin eine Antwort innerhalb von zwei Wochen bedeuten.

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Nudelmesse und Spaghettimonster

Auch Kurioses aus der Debatte um den Rundfunkbeitrag sparte Eicher nicht aus, etwa die Initiative eines Klägers, der sein Büro mit Nudelwasser „geweiht“ hatte, angeblich der „Gottheit des fliegenden Spaghettimonsters“ huldigte und eine Befreiung vom Rundfunkbeitrag verlangte, da der Raum „gottesdienstlichen Zwecken“ gewidmet sei. Das VG München wies die Klage ab. Mit seinem letzten Thema leitete Eicher inhaltlich bereits zur anschließenden Podiumsdiskussion über. Denn er griff Inhalte des Gutachtens auf, das der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium 2014 zu Aufgaben und Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erstellt hat. Eicher kritisierte die „Sicht der Ökonomen“, die unter anderem ein strenges Subsidiaritätsprinzip für die Öffentlich-Rechtlichen gefordert hatten. „Am Dreiklang von Recht, Ökonomie und Soziologie kommt man nicht vorbei“, machte Eicher die medienrechtliche Sicht auf das Thema deutlich. „Es steht nicht weniger als der Bestand von Meinungsvielfalt auf dem Spiel.“ Zudem stünden die Vorschläge nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Eichers Fazit: Der Rundfunkbeitrag ist kein Selbstzweck. Zuschauer und Hörer bekommen für relativ wenig Geld ein großes, vielfältiges Leistungspaket. „Die Legitimation für den Rundfunkbeitrag kann nur das Programm leisten. Mehr denn je ist hier hohe Qualität gefordert.“ Und noch eine gute Nachricht gab es zum Schluss: Im privaten Bereich werden künftig auch rückwirkende Befreiungen vom Rundfunkbeitrag zugelassen.

Kontroverse um Gelder und Inhalte

Unter dem Motto „Kein Service ohne Gebühren?“ wurden abschließend auf dem Podium weiter Zusammenhänge zwischen Finanzierung und Programmgestaltung hinterfragt. Zur Diskussion begrüßte Moderator Steffen Grimberg (Grimme-Institut) neben Dr. Eicher die ARD-Generalsekretärin Dr. Susanne Pfab, Prof. Norbert Schneider (von 1993 bis 2010 Direktor der Landesanstalt für Medien Nordrhein Westfalen), Prof. Kai Konrad (Direktor am Max-Planck-Institut für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen in München), Dr. Christine Bergmann (Vorsitzende des Programmausschusses Programmdirektion des ZDF-Fernsehrats) und Ute Wiegand-Fleischhacker (Landesvorsitzende des dbb Hessen und stellvertretendes Mitglied im ARD-Programmbeirat).

Das erste Wort hatte Prof. Konrad. Der Experte für Steuerrecht und öffentliche Finanzen war Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium, als das Gremium aus 32 Wissenschaftlern im Jahr 2014 das Gutachten „Öffentlich-rechtliche Medien – Aufgabe und Finanzierung“ erarbeitet und damit für heftige Diskussionen gesorgt hatte. So war etwa die Aussage, dass es angesichts der technischen Entwicklung kaum noch Gründe gebe, „warum der Rundfunkmarkt wesentlich anders organisiert werden sollte als der Zeitungsmarkt“ auf Widerspruch gestoßen, ebenso wie der Vorschlag, „die öffentlich-rechtlichen Anbieter sollten nur da auftreten, wo das privatwirtschaftliche Angebot klare Defizite aufweist“ und die Forderung, im Programm der Öffentlich-Rechtlichen solle „auf die Werbefinanzierung komplett verzichtet werden“. Das Gutachten sei legitim, die aufgeworfenen Fragen seien berechtigt, stellte die ARD-Generalsekretärin dazu fest. „Die rein ökonomische Betrachtung greift aber zu kurz, denn es geht auch um den gesellschaftspolitischen Auftrag der Öffentlich-Rechtlichen“, sagte Dr. Susanne Pfab. Auch Dr. Christine Bergmann plädierte dafür, das ZDF und die anderen Öffentlich-Rechtlichen nicht unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu betrachten, sondern „vom Auftrag her“. So müssten möglichst alle Zuschauerinteressen mit gleichbleibend hoher Qualität abgebildet werden. „Das Fernsehen genießt in der Bevölkerung nach wie vor einen sehr hohen Stellenwert, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk wird generell eine hohe Seriosität attestiert“, so Bergmann. Sie lobte den mit 40 Prozent hohen Informationsanteil im ZDF-Programm. „Das Fernsehen beweist dieser Tage wieder seine Stärke, unabhängige Hintergrundinformation zu leisten. Es erfüllt damit eine Grundaufgabe für unsere demokratische Gesellschaft. Die Menschen müssen sich eine eigene Meinung bilden können“, sagte Bergmann.

„Wenn es um die Gebührendebatte geht, trifft die Kritik der ‚veröffentlichten Meinung‘ die Falschen. Das wiederum hängt damit zusammen, dass die Presse den Öffentlich-Rechtlichen nicht gewogen ist. Eine sehr alte Geschichte, die nach meinem Gefühl bis auf die Schöpfungsgeschichte zurückgeht“, kommentierte Prof. Norbert Schneider den Streit um Für und Wider des Rundfunkbeitrags. Man müsse die Diskussion viel rationaler führen. Der ARD empfahl er, ihre Außendarstellung zu renovieren: „Sie überzeugen als System nicht besonders“, wandte sich Schneider an Eicher. Jeder der Sender-Oberen erkläre sich für sich selbst, so Schneiders Kritik. Er persönlich finde die Diskussion um die Gebühren „nicht besonders spannend“. Wirklich interessant sei, ob eine Gesellschaft sich den Rundfunk gibt, den sie sich leisten kann: „Unter diesem Gesichtspunkt kann Deutschland sich wahrhaftig einen hervorragenden öffentlich-rechtlichen Rundfunk leisten – und die Konkurrenz zu den privaten Anbietern dazu“, zeigte sich Scheider überzeugt. Die Frage des Moderators, ob der Beitragszahler seine Stimme hörbar machen könne, um direkten Einfluss auf die Programmgestaltung zu nehmen, sei kaum zu beantworten, so Schneider. „Ich bin skeptisch.“ Rundfunkräte seien „Einzeltäter, die bestimmte gesellschaftliche Gruppen vertreten“.

Auch das Verhältnis zwischen Öffentlich-Rechtlichen und Privaten war – nicht zuletzt angestoßen durch das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats – Gegenstand der Debatte. „Öffentlich-Rechtliche und Private sind keine Kopien voneinander“, sagte die ARD-Generalsekretärin. „Beide senden beispielsweise Fiktionales – aber mit unterschiedlichen Ansätzen. Während die Privaten eher US-Produktionen einkaufen, setzen die Öffentlich-Rechtlichen auf Eigenproduktionen, die die deutsche Gesellschaft widerspiegeln“, so Pfab.
Prof. Konrad verteidigte die ökonomische Perspektive des Gutachtens. „Finanzwissenschaftler können sagen: Da werden sieben Milliarden Euro per Zwangsabgabe eingenommen, das entspricht in etwa dem Jahresetat des Bundeswirtschaftsministeriums und ist also eine signifikante Größe.“ Die Bevölkerung habe ein Recht darauf, darüber zu diskutieren, meinte Konrad. Er sehe die Öffentlich-Rechtlichen im „Legitimationszwang“. Konrad stellte aber auch richtig, dass das Gutachten nicht – wie von einigen Medien berichtet – für eine Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks plädiert habe. Ein Nachdenken über andere Finanzierungsmodelle würde aber zugleich Widerstände in der Bevölkerung gegen den Rundfunkbeitrag verringern oder sogar auflösen, zeigte sich der Finanzexperte überzeugt. „Sie bekämen ein Feedback dazu, was die Zuschauer wirklich wollen“, sagte Konrad. „Derzeit kann der Zuschauer sich nicht einbringen, auch nicht aussteigeigen. Er muss zahlen.“

„Information, Bildung, Kultur, Unterhaltung – Vielfalt als wesentliche Grundlage für eine freie und unabhängige Meinungsbildung kann nicht gewährleistet werden, wenn immer nur die Kosten-Nutzen-Frage entscheidet.“ Das gab Ute Wiegand-Fleischhacker, dbb Landesvorsitzende in Hessen, Mitglied im Rundfunkrat des Hessischen Rundfunks und stellvertretendes Mitglied im ARD-Programmbeirat, zu bedenken. Der besondere Programmauftrag der Öffentlich-Rechtlichen sei eben nicht mit einem reinen Primat des Ökonomischen zu realisieren. Deshalb lehne sie auch den Begriff der „Zwangsabgabe“ ab, so Wiegand-Fleischhacker. Es gebe nicht nur eine hohe Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, sondern auch für die Rundfunkräte als kritische Begleiter der Programme.

ARD-Programmchef: Wir haben die Inhalte

Mit einem herzlichen Glückwunsch an die in der VRFF – Die Mediengewerkschaft organisierten Kolleginnen und Kollegen beim Beitragsservice konnte dbb Chef Klaus Dauderstädt die traditionelle interne Runde der „dbb Medienpolitiker“ am 11. September eröffnen. Sie hatten dort nicht nur erfolgreich eine Personalratsneuwahl durchgesetzt, sondern diese am Vortag auch klar gegen den gewerkschaftlichen Konkurrenten gewonnen, wie die VRFF-Betriebsgruppenvorsitzende Anke Ben Rejeb berichtete. Im Mittelpunkt des regen Meinungsaustauschs der Rundfunk- und Medienräte, an dem neben Klaus Dauderstädt auch die dbb Vizes Willi Russ und Astrid Hollmann teilnahmen, ging es zunächst um aktuelle Probleme in den öffentlichrechtlichen Sendern und bei den Landesmedienanstalten – etwa um Sparmaßnahmen, Personalabbau und Aufgabenverdichtung, Ausrichtung auf Trimedialität (also enge redaktionelle und technische Zusammenarbeit zwischen Radio, Fernsehen und Online).

Interessante Einblicke in die Programmgestaltung der ARD gewährte dann Volker Herres, seit 2008 Programmdirektor des Ersten Deutschen Fernsehens. Trotz aller Veränderungen der vergangenen Jahre und trotz digitaler Zukunft dürfe man die Gegenwart nicht verspielen. „Das lineare TV ist unangefochtenes Leitmedium, hat mit 80 Prozent die höchste Reichweite, gefolgt vom Radio. Das Internet liegt bei 46 Prozent.“ Darauf, dass die „Zeitsouveränität“ bei der Fernsehnutzung zunehme, stelle sich die ARD bereits ein. So seien dem letzten „Tatort“ vor der Sommerpause („Der Inder“ vom SWR) über neun Millionen Zuschauer gefolgt, was einem Marktanteil von 28,5 Prozent entsprach. Mit noch einmal 200000 Abrufen im Netz habe der Krimi alle Erwartungen erfüllt. Um noch mehr Nutzer unter den Jüngeren, nicht nur via Youtube, zu erreichen, „basteln wir an einer ‚Tatort-App‘ “, verriet Herres. Die „TagesschauApp“ mit acht Millionen Downloads nehme bereits eine führende Position ein. „Aber Plattformen existierten ja nicht ohne Inhalte. Und wir haben jede Menge Content, bis hin zu Nischenprodukten“, sagte Herres. Der Auffassung mancher User, angesichts eines überbordenden Internetangebots, „kommt der Inhalt zu mir, ich muss gar nicht mehr danach suchen“, erteilte Herres eine Absage: Im Netz gebe es unklare Quellen, Seriosität und Unabhängigkeit fehlten oft. „Wir als ARD müssen stärker auf journalistische Tugenden setzen, uns nicht nur von Hypes treiben lassen und auch exklusiv mit eigenen Geschichten aufwarten.“ Angesichts rasch wechselnder Themen wie Ukraine, Griechenland und jetzt Flüchtlinge fragte Herres: „Wo bleibt die Wiedervorlage?“ ARD-Themenwochen oder ein ganzer Abend im Zeichen eines Themas seien geeignete Mittel, so der Programmdirektor. So werde es am 5. Oktober über zwölf Stunden eine „Echtzeitdoku“ geben, für die – vor dem Hintergrund von 25 Jahren Einheit – 60 Kamerateams Momentaufnahmen aus dem Deutschland von heute liefern.

Mehr Mut, Risikobereitschaft und Experimentierfreude – darum sei auch die ARD bemüht. So bereite man eine Serie über einen Kommissar im Berlin der 1920er-Jahre vor, die auf der Bestsellerreihe „Babylon Berlin“ von Volker Kutscher basiert und – das ist eine Premiere – von ARD, X-Filme, Sky und Beta Film gemeinsam entwickelt wird. Auch eine als fortlaufende Geschichte erzählte Serie über die Geschichte der Berliner Charité ist in Vorbereitung. Herres outete sich als „großer Freund einer Kombination von Fiktionalem, Dokumentarischem und Talk“ im TV-Programm, wie es sie unter anderem rund um die neue Staffel der Erfolgsproduktion „Weissensee“ geben wird. Unverzichtbar bleibe die Übertragung großer Live-Ereignisse, sagte Herres. So sei die Relevanz der Öffentlich-Rechtlichen ohne Berichterstattung über Spitzensport (für die Olympischen Spiele liegen die Rechte ab 2018 bei Privaten) nicht zu halten. „Wir haben immer auch Hintergrundinformationen und kritische ‚Begleitstücke‘ mitgeliefert“, sagte Herres. Für die Zusammenarbeit im Senderverbund ARD wünsche er sich, dass „weniger hasenherzig“ in die Zukunft gegangen und „etwas mehr in eine Richtung gezogen“ werde. In der lebhaften Diskussion wurde zudem angeregt und von Volker Herres aufgenommen, „das Ich-Marketing der ARD, ihre Darstellung nach außen“ zu verbessern (VRFF-Vorsitzender Ulrich Eichbladt), anstelle der immer gleichen Politiker mehr Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft in die Talkshows zu holen (Astrid Hollmann) und die Fülle von Wiederholungen im Sommerprogramm einzudämmen (Willi Russ). Dies sei allerdings vor allem eine finanzielle Frage, machte Herres klar – für mehr Eigenproduktionen fehle der ARD schlicht das Geld.

Herres

dbb Chef Klaus Dauderstädt verknüpfte den Abschluss der „Jubiläums-Medienkonferenz“ mit der Ankündigung, die „spannenden Debatten über die Programmqualität“ im nächsten Jahr fortzusetzen. Sein Fazit: „Wir können uns den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht nur leisten, sondern haben ein großes Interesse an der hochwertigen Information und Unterhaltung, die er tagtäglich bietet.“