40. Herbsttreffen der Medienfrauen in der Deutschen Welle in Bonn

23.11.2017/VRFF/AS/Mainz: „Digitale Welt Made by Women“ war das Thema des diesjährigen Treffens zu dem fast 300 Frauen aus ARD, ZDF und ORF – natürlich inklusive der jeweiligen Gleichstellungsbeauftragten – nach Bonn angereist waren, um hier an drei Tagen in einen intensiven Austausch untereinander und zu dem umfangreichen Themen zu gehen.

Nach der offiziellen Begrüßung und Eröffnung der Veranstaltung durch den Intendanten Peter Limbourg und die Gleichstellungsbeauftragte Bettina Burkart im Forum der Bundeskunsthalle betrachtete Melanie Vogel in einem Impulsvortrag die wirtschaftliche Entwicklung am Beispiel der elterlichen Druckerei vom Ende der Druckvorlagen für Papier bis hin zum 3D-Drucker. Aus der „Vogelperspektive“ betrachtet, werden die Rahmenbedingungen für Unternehmensführung, bedingt durch die digitalen Veränderungen, gekennzeichnet durch vier Kategorien: Volatility – Unbeständigkeit, Uncertainty – Unsicherheit, Complexity – Komplexität and Ambiguity – Mehrdeutigkeit. VUCA ist ein Akronym und stammt ursprünglich aus der militärischen Sprache, um eine Krisensituation in kleinen Teams an der Front zu klären statt mit den Generälen im Hinterland. Seit 2013 der Begriff der „Industrie 4.0“ aufkommt, wird immer deutlicher, dass ein wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Umbruch stattgefunden hat, der dazu führt, dass in vielen Lebens- und Arbeitssituationen keine exakten Vorhersagen mehr gemacht werden können, ausgelöst durch eine Beschleunigung in der digitalen Entwicklung, die zu einer enormen Erhöhung der Komplexität führt. Dieser Prozess wird begleitet von Unsicherheit bei den Arbeitnehmern.
Antworten könnten zu finden sein in visionärem Denken und Handeln, neuen flachen Hierarchien und Teamarbeit, klaren Strukturen, Flexibilität und Aktivität. Es ist sinnvoller auf Komplexität nicht mit noch mehr Komplexität zu reagieren. Anstelle von Micromanagement in Abteilungen müssen die großen Fragen besonders in unternehmerischer Hinsicht für das Große und Ganze gestellt werden (dürfen).

In der anschließenden Podiumsdiskussion wurde „Sichtbarkeit“ als ein zentraler Begriff herausgearbeitet, sowohl im Internetauftritt, als auch beim Netzwerken und im Wettbewerb, sei es in der Projektarbeit oder der Bewerbung.

Leider zeigten sich trotz guter Fortschritte auch immer noch die gleichen Dauerbrenner wie vor Jahrzehnten wie bspw. dass viele Frauen ihre Leistungen nicht so gut darstellen können wie Männer; Doppelbelastung durch Beruf und Familie und die Frage, ob Frauenthemen Luxusprobleme seien. Meine absolute Favoritin war Frau Professor Lucke, die akademische Lady ohne Handy, aber mit viel Humor. Ihre Beiträge hatten die Tendenz mit Fakten abhebenden Utopien direkt wieder Bodenständigkeit zu verleihen. Sie stellte in einer wichtigen Anmerkung fest, dass Frauen oft erst dann in ein berufliches Feld vordringen könnten, wenn es für tatsächliche Machtverhältnisse nicht mehr attraktiv ist. Lucke nannte das Koinzidenz von Feminisierung und Machtverlust. Hier herrscht Handlungsbedarf. In dieser Thematik reihten sich natürlich auch die Beiträge zur #Metoo – Initiative ein. Hier wurde noch einmal deutlich herausgearbeitet: Sexismus hat weniger mit Sex als mit Macht zu tun.

Ebenfalls sehr ernüchternd waren die Erkenntnisse über „Shrinking Space“ – schrumpfendem Raum der Zivilbevölkerung im Zuge der neoliberalen Ausrichtung in der globalisierten Welt. Weltweit nehmen Gesetzgebungen zu, die zivile Organisationen einschränken, diskriminieren oder die Möglichkeiten zur Finanzierung vermindern oder ausschalten. Dabei liegt es auf Hand, wenn der Kuchen an Arbeit und Einkommen immer kleiner wird, werden Frauen und Kinder wieder als erstes von den Auswirkungen betroffen sein, weil sie aus den entsprechenden politischen und wirtschaftlichen Sozialsystemen exkludiert werden.

Andererseits bieten die neuen digitalen Lebens- und Arbeitsformen gerade für Frauen gute Zukunftsmöglichkeiten, weil Eigenschaften wie Anpassungsfähigkeit, Vielfältigkeit und Lernbereitschaft Fähigkeiten sind, die gem. verschiedener Studien eindeutig überwiegend Frauen zuzuordnen sind und in den wandelnden Prozessen vorrangig gebraucht werden. Den klassischen drei „Ks“ für weibliche Lebenssituationen wie Kinder, Küche, Kirche sollte also ein viertes „K“ für Karriere hinzugefügt werden.

Großer inhaltlicher Abschluss an diesem Tag war die Abstimmung einer Resolution der Medienfrauen an die Intendantinnen und Intendanten.
Die Sender ARD, ZDF, Deutschlandradio, DW und ORF hatten sich an einer Studie zur audiovisuellen Diversität über Geschlechterdarstellungen in Film und Fernsehen beteiligt. Die Ergebnisse lassen doch noch sehr viel zu wünschen übrig. Das große Plenum der Medienfrauen im Kinosaal der Bundeskunsthalle stimmte gemeinsam einer Resolution zu, die die Aufforderung enthält endlich wirksam zu handeln.
http://www.dw.com/de/resolution-der-medienfrauen/a-41407484

Gemeinsam waren sich die Frauen auch einig, wer die alljährlich auf dem Herbsttreffen der Medienfrauen vergebene Auszeichnung „Die saure Gurke“ erhalten sollte: der „Gender-Mainstreaming-Experte“ des ZDF: heute-Nachrichtenmoderator Claus Kleber, für das Interview mit Maria Furtwängler in der Sendung vom 12. Juli 2017 (siehe Link unten). Anlass für das Interview waren die am gleichen Tag vorgestellten Ergebnisse der Studie zur audiovisuellen Diversität über Geschlechterdarstellungen in Film und Fernsehen. Die Jury war der Meinung, „dass das Interview sich nicht in der gebotenen Ernsthaftigkeit mit der Interviewpartnerin und ihrem berechtigten Anliegen, für das sie steht und das die Studie belegt, auseinandersetzt.“

Interview Kleber – Furtwängler 12. Juli 2017:
https://www.zdf.de/nachrichten/heute-journal/es-gibt-hier-eine-unwucht-ein-ungleichgewicht-100.html

Es waren sehr intensive Tage mit vielen Eindrücken und Innovationen, die noch nachwirken. Bei einem runden Geburtstag schaut man natürlich auch zurück und dabei wurde eine tragende Aussage wiederentdeckt, ein gutes Motto nicht nur für die Frauenbewegung, sondern auch für die Gewerkschaftsarbeit:

Gemeinsam sind wir stark und bleiben lästig.