Global Media Forum bei der Deutschen Welle – Teil II Bassem Youssef: „Angst hat keine Zukunft“

30.06.&01.07.2014/DW/Bonn:

Ägyptischer Politsatiriker auf dem Global Media Forum:

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„Satire war unsere Waffe, um die Lügen und Phrasen zu entlarven, die dazu benutzt wurden, das Volk zu kontrollieren.“ Das sagte der ägyptische Politsatiriker Bassem Youssef auf dem Global Media Forum der Deutschen Welle in Bonn.

Youssef hatte seine wöchentliche Talkshow „Al Bernameg“ trotz großer Popularität aus Angst um seine Sicherheit eingestellt. Vor vollbesetztem Plenum im World Conference Center Bonn sprach er über die Hintergründe – das Schlüsselwort in seiner Botschaft: Angst. „Angst verkauft sich, Angst schüchtert ein, Angst bringt Menschen dazu, gegen ihre ehrlichen Überzeugungen zu handeln“, so der Satiriker, dessen Sendung seit Februar auch die Deutsche Welle im arabischen TV-Programm ausgestrahlt hat.

Youssef kritisierte, dass sich diejenigen, die die Angst schürten, hinter der Religion versteckten, um die Massen zu manipulieren. Angst sei auch ein Wegbereiter des Faschismus gewesen, so der Satiriker. 60 Jahre später seien diese Mechanismen immer noch gültig. „Angst arbeitet, Angst ist ein Gewinner, aber Satire und Comedy können eine der wenigen Gegenmittel sein, um die Angst zu bekämpfen“, so Bassem Youssef auf der Medienkonferenz der DW. Bis Mittwoch diskutieren Experten aus rund 100 Ländern über das Thema „Von Information zu Partizipation – Herausforderungen für die Medien“.

Er blicke optimistisch in die Zukunft, denn die heutige Welt sei eine ungemein junge. Überkommene Mechanismen der Macht würden bei jungen Menschen nicht mehr verfangen. „Die Propaganda, die noch bei ihren Eltern funktioniert hat, ist nicht mehr in der Lage, sie einzuschüchtern“, sagte Youssef. „Angst hat keine Zukunft, sie kann keine Staaten aufbauen, nur zerstören“, so Youssef, der seinen Widersachern zurief: „In den Geschichtsbüchern werdet ihr verlieren, in den Herzen der Jungen habt ihr bereits verloren!“

„Weltweites Netz mächtiges Werkzeug
für mehr Chancen, mehr Freiheit und Fortschritt“

Gerd Müller, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), beim Global Media Forum:

„Das digitale Zeitalter zieht weltweit noch größere Umwälzungen nach sich als das Jahrhundert der industriellen Revolution.“ Das sagte der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Gerd Müller, am Montag auf dem Global Media Forum der Deutschen Welle in Bonn.

Müller forderte dazu auf, die Chancen des digitalen Zeitalters für Bildung und Teilhabe besonders in den Entwicklungsländern noch stärker als bisher zu nutzen. „Informationen gehen in Sekundenschnelle rund um den Erdball, sie können Revolutionen auslösen, aber auch ganz einfache und praktische Hilfe im Alltag geben. Noch haben wir die Wirkungen und Auswirkungen dieser Veränderung unseres Lebens nicht in vollem Umfang erfasst“, sagte der Minister.

Das digitale Zeitalter sorge auch für einen medialen Umbruch – vor allem in den Entwicklungsländern. „Information als Grundrecht wird Menschen an vielen Orten der Welt immer noch verweigert. Das Internet erschwert Zensur und erleichtert gesellschaftliche Teilhabe. Diese Chancen gilt es zu nutzen“, so Müller auf der Medienkonferenz der DW. Bis Mittwoch geht es im World Conference Center um Chancen und Missbrauch der digitalen Welt und ihr Hineinwirken in die reale Welt.

Der BMZ-Chef berichtete von seiner Nigeria-Reise Mitte Juni, wo er unter anderem eine Mädchenschule besuchte. Der Terror der Boko Haram reiche zwar so weit, „dass die Mädchen selbst in dieser Schule weit im Süden Angst vor den Terroristen haben“, so Müller. „Doch der dringlichste Wunsch der Schülerinnen waren dennoch ausdrücklich Computer. Sie wollen – allen Widerständen zum Trotz – teilhaben an dieser globalisierten Welt.“

„Schlüssel zur demokratischen Beteiligung“

Dieses Beispiel zeige, dass Bildung und Partizipation untrennbar miteinander verknüpft seien. „Das weltweite Netz kann ein mächtiges Werkzeug sein für mehr Chancen, mehr Freiheit und Fortschritt“, so der Minister. Das Global Media Forum befasse sich zur rechten Zeit mit diesem Zukunftsthema. Denn der Zugang zu digitaler Kommunikation sei „für viele Menschen – gerade auch in Entwicklungsländern – der Schlüssel zur demokratischen Beteiligung an politischen Entscheidungen“.

Müller verwies in diesem Zusammenhang auch auf die Zukunftscharta seines Ministeriums, das Projekt „Eine Welt – Unsere Verantwortung“. Mithilfe dieses Projekts unter Beteiligung von Zivilgesellschaft, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft solle ein neues globales Zielsystem erarbeitet werden, mit dem „alle gemeinsam Verantwortung für unsere Zukunft übernehmen und für die Chancen zukünftiger Generationen“.

Mathias Döpfner: „Sie bezahlen mit Ihrer Freiheit“

Springer-Chef auf dem Global Media Forum der Deutschen Welle:

Zwei Internet-Kontrahenten auf einem Podium: Beim Global Media Forum der Deutschen Welle in Bonn traf der Vorsitzende der Axel Springer SE, Mathias Döpfner, auf den Internetexperten Jeff Jarvis. „Ich bin froh, dass Google weiß, wo ich wohne“, sagte Jarvis – auch wenn das Döpfners deutsches Herz in Angst und Schrecken versetze.

Auf dem „Mediengipfel“ am ersten Konferenztag ging es um die „Zukunft des Journalismus und die Rolle der Auslandssender“. Auf dem Podium auch der Nachrichtendirektor von Al Jazeera Englisch, Salah Negm, der Geschäftsführer des indischen Senders Prasar Bharati, Jawhar Sircar, und DW-Intendant Peter Limbourg.

Döpfner rufe nach staatlicher Rettung für sein schwankendes Geschäftsmodell – das des bezahlten Journalismus – anstatt selbst neue Ideen zu entwickeln, sagte Jarvis. „Unser Unternehmen hat sich bereits radikal verändert“, hielt Döpfner ihm entgegen. „Zwei Drittel unseres Gewinns kommt aus digitalen Angeboten. Und wir wollen der führende digitale Verlag werden.“

Döpfner zeigte sich überzeugt, dass sich in den nächsten Jahren für digitalen Journalismus eine Bezahl-Kultur etablieren werde. „Minderwertige Inhalte werden auch künftig frei zugänglich sein. Besonders relevanter, exklusiver oder unterhaltender Content jedoch wird kostenpflichtig sein.“ Es sei „eine Fehlinterpretation“, zu behaupten, Informationen seien kostenlos zugänglich. „Sie bezahlen mit Ihren Daten“, mahnte Döpfner. „Und am Ende mit Ihrer Freiheit.“

„Meine Zeitung kann das nicht“

Am Internet-Giganten Google solle sich orientieren, wer im Netz erfolgreich sein will, sagte Jarvis. „Google verhält sich nicht wie ein Schleusenwärter, der bestimmt, welche Information zu den Menschen gelangt. Google ist eine Plattform, auf der alles gesagt werden kann“, so Jarvis. Außerdem sei das Unternehmen strikt dem Service gegenüber seinen Kunden verpflichtet. Und genau darin liege die Zukunft des Journalismus: in maßgeschneiderten Dienstleistungen wie Googles Stadtplänen. „Ich bin froh, dass Google weiß, wo ich wohne, was ich arbeite“, sagt Jarvis. „Denn dadurch können sie mir Informationen geben, die für mich relevant sind. Meine Zeitung kann das nicht.“

„Journalismus ist eine Berufung“

Moderator Tim Sebastian wies darauf hin, dass nicht nur das Geschäftsmodell des Journalismus in Gefahr sei. Auch Leib und Leben von Journalisten selbst seien bedroht. Von Soldaten und Rebellen, aber auch von Polizei und Justiz. So wie die Reporter des TV-Senders Al Jazeera, die in Kairo ohne fairen Prozess zu langen Haftstrafen verurteilt wurden. Nachrichtendirektor Salah Negm rief zu internationaler Solidarität mit seinen Kollegen auf.

Die Zukunft des Journalismus sei für ihn weniger eine Frage der Technik, die sich immer schneller verändere. „Vertrauen ist der wichtigste Faktor“, sagte Negm. „Und das muss man sich erarbeiten, jeden Tag aufs Neue. Journalismus ist kein Beruf, sondern eine Berufung.“

Dem konnte DW-Intendant Peter Limbourg nur zustimmen. Wo immer nationale Medien nur eine Seite der Medaille zeigten, müssten internationale Sender wie die Deutsche Welle als Informationsanbieter ihrer Verantwortung gerecht werden. „Dabei ist es gut, dass wir mittlerweile Konkurrenz aus China, Russland oder den Golfstaaten haben“, sagte Limbourg. „Aber das muss auch umgekehrt gelten. Wir wollen auch in Saudi-Arabien, China oder Russland zugänglich sein.“

Glenn Greenwald: Journalisten und Machthaber sind Gegner

„Die richtige Beziehung zwischen Journalisten und denen, die Macht ausüben, ist die einer Gegnerschaft“. Das sagte der US-amerikanische Journalist Glenn Greenwald auf dem Global Media Forum der Deutschen Welle in Bonn.

Greenwald, der durch die Veröffentlichung von Dokumenten des ehemaligen NSA-Mitarbeiters Edward Snwoden bekannt wurde, richtete sich in einer Videobotschaft an die Teilnehmer der Medienkonferenz der Deutschen Welle. Bis Mittwoch geht es im World Conference Center um das Thema „Von Information zu Partizipation – Herausforderungen für die Medien“. Greenwald sagte, die Rolle der Journalisten bestehe darin, „investigative Kontrolle auszuüben und denjenigen, die über die Macht verfügen, Grenzen zu setzen“. Beide Seiten verfolgten jeweils „unterschiedliche Ziele aus unterschiedlichen Perspektiven“.

Der Snowden-Vertraute sprach in diesem Zusammenhang von einem „außerordentlich engen Verhältnis zwischen amerikanischen Medienunternehmen und der US-Regierung“, das seit den Anschlägen vom 11. September noch intensiver geworden sei. Diese Tendenz gelte inzwischen für den gesamten Westen, so Greenwald.

„Freie Presse in Gefahr gebracht“

Bisher sei der Gefährdung der freien Presse durch die Überwachung des Staates „relativ wenig Aufmerksamkeit“ geschenkt worden. „Wenn eine Regierung gewaltige Mengen an Metadaten sammelt – Milliarden Telefonate und E-Mails jeden Tag – und daher jeden kennt, der mit jemand anderem kommuniziert, wird es für Informanten, die sich an Journalisten wenden, sehr schwierig – wenn nicht unmöglich – zu glauben, dass sie das tun können, ohne ausfindig gemacht zu werden. Das hat die freie Presse in Gefahr gebracht“, sagte Greenwald.

Durch die Enthüllungen sei eine „wichtige Debatte über den Journalismus“ ausgelöst worden, nachdem zuvor vor allem über Folgen für die Privatsphäre und über Gefahren für die Demokratie diskutiert worden sei, so Greenwald. Die Enthüllungen hätten weltweit „tiefgreifende Auswirkungen“ darauf, wie Medien und Öffentlichkeit den Journalistenberuf in Zukunft verstehen würden.

Überwachung als langfristiger Begleiter

Es werde im Journalismus „viele Reformen“ geben, so Greenwald. Eine der wichtigsten Erkenntnisse sei, „dass wir Journalisten jetzt um die Notwendigkeit wissen, technische Möglichkeiten zu nutzen, um die Vertraulichkeit unserer Kommunikation zu schützen – insbesondere die unserer Quellen“. Er zeigte sich überzeugt, dass „wir den Journalismus und die Recherche neu beleben können“. Allerdings werde die allgegenwärtige Überwachung durch den Staat „für ziemlich lange Zeit zu uns gehören“, sagte Greenwald auf dem Global Media Forum der Deutschen Welle.