Global Media Forum bei der Deutschen Welle – Teil III Steinmeier: „Je brutaler die Bilder, desto überzeugender die Wirkung“

01.07.2014/DW/Bonn:

„Politik und Medien stehen gleichermaßen unter dem Druck von Klickzahlen.“ Das sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier auf dem Global Media Forum der Deutschen Welle in Bonn. „Und Klickzahlen brauchen vor allem eines: viele schnelle und neue Bilder“. Er befürchte, dass die Außenpolitik dabei aus dem Blick gerate.

Steinmeier_k

Steinmeier sprach auf der internationalen Medienkonferenz der DW über Digitalisierung und Teilhabe aus außenpolitischer Perspektive. „Die krisenhafte Welt liefert Bilder in rasantem Tempo und in drastischem Ausmaß“, sagte der Außenminister und verwies auf die Berichterstattung aus Südsudan, aus Syrien oder zuletzt aus Irak.

Der Weg dieser Bilder zu den Menschen über Handykameras und Soziale Netze sei sehr kurz geworden. „Je brutaler die Bilder, desto überzeugender ist offenbar deren Wirkung.“ Das schaffe eine Erwartungshaltung in der Bevölkerung, diese Krisen möglichst schnell zu beenden.

Die fatale Macht der Bilder

„Im Gegensatz zu dieser Bilderflut erscheinen die Methoden der Außenpolitik merkwürdig langsam.“ Außenpolitik habe „keine Zwangsmittel und keine Befehlsgewalt“. Verhandlungen, Gesprächsrunden, Ringen um Kompromisse seien „das Kerngeschäft der Außenpolitik“, so Steinmeier. All das erzeuge aber keine Bilder.

Und während die Welt komplexer werde und Konflikte schwerer zu durchschauen, gehe der Trend insbesondere in Online-Medien „sehr zur Verkürzung, sehr zur Polarisierung“. Steinmeier konstatierte ein „steigendes Bedürfnis“, die komplexe Welt „in Gut und Böse und Schwarz und Weiß einzuteilen“. Zudem sei im Zeitalter asymmetrischer Konflikte keine der aktuellen Krisen „mit den alten Schablonen zu erklären“. Aufgabe der Medien sei es deshalb vielmehr, „sich der Tiefe der gesellschaftlichen Veränderungen zu widmen“.

Der doppelte Shitstorm

In der Ukraine-Krise zeige sich das deutlich, sagte Steinmeier und verwies auf seine Facebook-Seite. „Immer wenn ich zur Außenpolitik Stellung nehme, erlebe ich jeden Tag den doppelten Shitstorm: Auf der einen Seite diejenigen, denen in ihren Kommentaren das Säbelrasseln nie laut genug sein kann, und auf der anderen Seite diejenigen, die mir dann Kriegstreiberei vorwerfen.“ Während die einen ihn beschuldigten, der große Russenversteher zu sein, sähen die anderen in ihm den Faschistenunterstützer in der Ukraine. „Wenn man dann auf solche Vorwürfe mal laut reagiert, wird ausgerechnet das der einzig veritable Youtube-Hit in meiner ganzen Politikerlaufbahn“, so Steinmeier auf der Medienkonferenz der DW in Bonn.

Trotz dieser für die Außenpolitik schwierigen Tendenzen in den digitalen Medien, sehe er vor allem die Chancen der Entwicklung: Die Möglichkeit, mit den Bürgern direkt über Social Media in Kontakt zu treten, sei auch für ihn sehr lehrreich.

Das Grau des Ungewissen

Steinmeier appellierte deshalb an die Journalisten, nicht der Versuchung zu erliegen, die Realität in Schwarz-Weiß zu zeichnen, „wo das Grau des Ungewissen vorherrscht. Oder wo wir davon ausgehen müssen, dass konkurrierende Wahrheiten, konkurrierende Realitäten miteinander im Streit sind und sich schon deshalb das Schwarz und Weiß verbietet.“ Auch in der Ukraine-Krise müsse man anerkennen, dass es unterschiedliche Blickwinkel gebe, die aus der jeweiligen Geschichtserinnerung erwachsen seien.

„Das Internet verändert nicht nur die Kommunikation von Außenpolitik, sondern die Außenpolitik selbst“, so Steinmeier. Zum einen lebe die Außenpolitik von Grenzen, das weltweite Netz besitze diese Grenzen jedoch nicht mehr. Zum anderen liege die Kompetenz für Außenpolitik nach wie vor bei Staaten, die Kontrolle über Daten aber längst in den Händen privater Unternehmen. All das verlange einheitliche Regeln für ein weltweites digitales Netz. Deshalb sei eine konsequente Debatte darüber nötig, was hinter den Schlagzeilen der NSA-Affäre stecke. Einerseits müsse die Freiheit des Internets, andererseits die Wahrung der Privatsphäre durch internationale Regeln gewährleistet werden. „Die Idee von einem freien, offenen und sicheren Internet ist eine der zentralen Aufgaben von Global Governance des 21. Jahrhunderts“, sagte Steinmeier in Bonn.

„Das Internet ist die neue globale Supermacht“

„Wir brauchen Medien, die über die Machthaber berichten, statt ihnen Rückendeckung zu geben.“ Das sagte die US-Journalistin Amy Goodman auf dem Global Media Forum der DW in Bonn.

Die Journalistin und Mitgründerin von „Democracy Now“ diskutierte unter anderem mit Matthew Armstrong vom US-amerikanischen Broadcasting Board of Governors (BBG) und Guy Berger von UNESCO Frankreich über „Politische Meinungsbildung im digitalen Zeitalter“.

Vor dem Hintergrund der Konflikte und Krisen, die derzeit im Blickpunkt der Weltöffentlichkeit stehen, sagte Goodman: „Medien können die stärkste Kraft für Frieden sein. Stattdessen werden sie allzu oft als Kriegswaffe eingesetzt.“ Sie sagte, in den vergangenen Jahren seien in den USA unter der Obama-Administration mehr Whistleblower verfolgt worden als zusammengenommen während aller Präsidentschaften zuvor. In Bezug auf die NSA-Affäre biete sich Deutschland in dieser Woche die Gelegenheit, „eine Diskussion zu führen, die wir in den USA vielleicht niemals haben werden“, so Goodman auf der Medienkonferenz der DW in Bonn.

Auch die Rolle der Journalisten in totalitären Staaten war Teil der Debatte. Journalisten seien „Symbole für Meinungsfreiheit“ und müssten deshalb vor Überwachung geschützt werden, sagte Guy Berger, Direktor des Bereichs „Freedom of Expression and Media Development“ der UNESCO Frankreich. „Wenn wir das nicht tun, werden ihre Quellen verstummen.“ In diesem Zusammenhang verwies er auf den 2. November, den die UNO zum Internationalen Tag zum Schutz von Journalisten erklärt hat.

Auf den Zwiespalt zwischen Freiheit, Sicherheit und Privatsphäre in Netz wies auch Matthew Armstrong hin. „Sie können das Internet nicht zensieren.“ In manchen Ländern, beispielsweise Syrien oder Iran, werde das Netz zwar immer wieder gesperrt. Kurz darauf werde es aber wieder zugänglich gemacht, um wirtschaftlichen Schaden zu vermeiden, so Armstrong. Für Emma Ruby-Sachs, Kampagnendirektorin des Netzwerks Avaaz.org, ist das Internet „die neue globale Supermacht“.