Hundert Jahre Frauenrechte und nun?

06.03.2019/VRFF/ASch/Mainz: Man könnte meinen, dass sich in den vergangenen Jahrzehnten für Frauen einiges zum Besseren gewendet hat. In mancher Hinsicht stimmt das schon.
In den alten Kirchenbüchern der christlichen Gemeinden wurden die Stammdaten der ortsansässigen Familien aufgezeichnet, Hochzeiten und Geburten ordentlich in Spalten eingetragen. Für den Ehemann war eine Spalte vorgesehen, für die Ehefrau aber mehrere. Hintergrund war nicht etwa polygame Praktiken, sondern die Erfahrung, dass Frauen regelmäßig bei den Geburten starben und Männer mehrmals heirateten für die Altersversorgung und zur Sicherung des Erbes. Frauen konnten sich nur im Schutz von Klostermauern diesen Risiken entziehen und hatten keine großen Wahlmöglichkeiten.

Heute müssen Frauen wählen, welchen Lebensweg sie gehen wollen. Dabei scheint die Entscheidung keine Kinder haben zu wollen, genauso schwierig zu sein wie die, sich auf die Verantwortung einer Mutterschaft einzulassen.

Doppelbelastung von Beruf und Familie, weiterhin ungleiche Bezahlung bei einem Gender-Pay-Gap von ca. 20 % in Deutschland sowie drohende Altersarmut, machen die Entscheidung nicht leicht.

Umgekehrt verzichten viele Frauen auf eine eigene Karriere, Anerkennung und Verwirklichung in einem Beruf, der den oft hochqualifizierten Ausbildungsabschlüssen angemessen wäre, um den sozialen Herausforderung begegnen zu können, ohne auf der Strecke zu bleiben. Andere sind einfach müde geworden und haben resigniert im Kampf um Führungspositionen und Gleichstellung in gesellschaftlichen Systemen, die noch immer nach männlichen Prinzipien und Wertekategorien funktionieren.

Einseitige, unausgewogene Gesellschaften bergen letztlich für alle Nachteile.

Ich wünsche uns für den Internationalen Frauentag 2019 jenseits jeglicher Diversity-Bestrebungen eine Wiederbesinnung auf weibliche Werte in Gesellschaft und Unternehmen wie Integrations-, Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit, Fürsorge und Verständnis für einander anstelle von Polarisierung – auch unabhängig von der jeweiligen sexuellen Orientierung.
Damit können wir alle gewinnen.

Astrid Schollenberger
Vorsitzende der Bundesgendervertretung

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