Machtmissbrauch beenden – besondere Verantwortung endlich wahrnehmen

Ein Kommentar zur aktuellen Debatte um Machtmissbrauch im WDR von der Genderbeauftragten der VRFF die Mediengewerkschaft im WDR, Ulrike Bosler:

„Ein Mann missbraucht seine berufliche Macht um einen persönlichen Vorteil daraus zu ziehen. Karrierewege von Frauen gründen dabei nicht auf Qualifikation sondern persönlicher Zuwendung“, so lautet ein Klischee und es scheint, als ob der WDR eine Bühne für ein Klischee-Stück mit besonderer Ausprägung gewesen ist. Noch ist im Einzelfall nichts bewiesen; nur das es möglich gewesen sein könnte, erstaunt offenbar kaum jemanden. Das mag die erschreckendste Erkenntnis sein: Sexuelle Belästigung im Arbeitsalltag des WDR erscheint so realistisch, dass die Geschäftsleitung zu Recht mit Maßnahmen hinsichtlich des bzw. der Beschuldigten reagiert hat und mit einer offenen Diskussion. Und doch kann das nur ein Anfang sein.

Wer Journalist oder Journalistin werden will braucht ein Praktikum– das ist eine der Eingangstüren in eine dann vermeintlich gerechte und wohl strukturierte Welt mit Personalräten und Gleichstellungsbeauftragten, die über Einstellungen und berufliche Wege von festangestellte Mitarbeitenden in den öffentlich-rechtlichen Medienanstalten wachen. Aber wer bewirbt sich wann? Wie oft sind Personalentscheidungen schon vor der Ausschreibung besprochen? Wer kümmert sich um die freiberuflich Tätigkeiten und Menschen in anderen prekären Arbeitsverhältnissen, die in wirtschaftlichen Abhängigkeiten zu ihren wohlwollenden oder nicht wohlwollenden EntscheiderInnen stehen?

Leidtragende von sexuellen Übergriffen wie Machtmissbrauch sind alle – Frauen wie Männer. Wie können Übergriffe geahndet werden, ohne dass die Opfer als TäterInnen diffamiert werden unter dem Hinweis, sich naiv selbst in die Situation gebracht zu haben. Letzteres ist auch eine gesellschaftliche Frage. In einem Beruf, in dem vierundzwanzig Stunden gearbeitet wird und bei Dienstreisen Hotelzimmer zu Schnitträumen und Büros werden, ist es besonders schwierig persönliche Räume von privaten zu trennen – egal um welche Uhrzeit. Die Frage zum Beispiel eines Berufseinstieges muss durch geordnete Strukturen im WDR gelöst werden. Wir brauchen transparente Karrierewege vor allem beim Seiteneinstieg. Und wir brauchen eine offene Diskussion wie die Kommunikation der Geschlechter besser funktionieren, wie ein Kulturwandel geleistet werden kann.

Als öffentlich-rechtliche Anstalt hat der WDR eine besondere Verantwortung für seine Mitarbeitenden und als Meinungsbildner in der Demokratie. Als Mediengewerkschaft fordern wir die Geschäftsleitung auf, diese Verantwortung endlich zu übernehmen und zu leben!