Männer erklären die Welt

02.07.2018/VRFF/AH/Berlin: Hochrangige Gäste versammelten sich zum hochaktuellen Thema „Frauen • Medien • Rollenbilder“ bei den Thüringer Mediengesprächen im Augustinerkloster in Erfurt. Eingeladen hatte die Thüringer Landesmedienanstalt (TLM) und über 100 Medienschaffende aus allen Medienbereichen, Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft, Politik und Gewerkschaften waren gekommen, um mitzudiskutieren.

Gesucht wurde eine Lösung für ein Problem, das die Uni Rostock im letzten Jahr sichtbar gemacht hat: Eine von der Wirklichkeit weit entfernte Darstellung der Geschlechter in den deutschen Medien. Die vorgestellten Ergebnisse der 2017 veröffentlichten Studie „Audiovisuelle Diversität – Geschlechterdarstellungen in Film und Fernsehen in Deutschland“ löste bei manchem Gast blankes Entsetzen aus. Zentrales Ergebnis: Frauen sind auf dem Bildschirm noch immer deutlich unterrepräsentiert. Männer erklären die Welt und das über alle Genre hinweg. Die einzige Ausnahme sind Telenovelas.

„Am schlimmsten ist die Diskrepanz beim Kinderfernsehen“ stellte ein der Macherinnen der Studie, Dr. Christine Linke, fest. „Gerade in einem Alter, wo Rollenbilder gelernt und geprägt werden, sind im Medienangebot männliche Figuren stark überrepräsentiert“ so Linke.

Doch wie kann an der aktuellen Schräglage etwas verändert werden? Die Vorsitzende des Bundesgendernetzwerkes der VRFF Die Mediengewerkschaft und stellvertretende DBB-Vorsitzende Astrid Hollmann beschäftigt sich seit vielen Jahren auch wissenschaftlich mit dem Thema und betonte: „Medien wurden über Jahrzehnte, im Besonderen auf der Führungsebene, von Männern gestaltet. Die damit verbundenen stereotypen Kommunikationsstrukturen und -formen finden sich auch heute noch in der Personalauswahl, der Informationsauswahl und in den Drehbüchern fiktionaler Inhalte wieder.“ Für sie ist für den Wandel der Darstellung auf dem Bildschirm ein Wandel in der Unternehmenskultur der Medienanstalten nötig. Gemischte Teams erzeugen andere Geschichten und eine andere Themenauswahl „nicht besser und auch nicht schlechter, einfach nur anders, aber eben näher an der Wirklichkeit der Menschen“. Denn, so betonte Hollmann, Frauen können die Welt auch sehr gut erklären.

ARD-Filmintendantin Prof. Dr. Karola Wille betonte in der Podiumsdiskussion die besondere Verantwortung der Medienschaffenden und insbesondere des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Er trage eine besondere Verantwortung zur Vermittlung eines zeitgemäßen Bildes der Wirklichkeit. „Denn das sind die Bilder, die unsere Gesellschaft prägen und die letztlich zu den Rollenbildern in unseren Köpfen beitragen.“

Die TLM machte nach 2003, 2013 bereits zum dritten Mal das Thema Frauen in den Medien zum Thema einer TLM-Veranstaltung.  Moderatorin Ilona Helena Eisner, stellvertretende Vorsitzende der TLM-Versammlung und Geschäftsführerin des Landesfrauenrates Thüringen e. V., zog als Bilanz der Veranstaltung: „So lange Lebensrealität in ihren Facetten nicht in den Medien abgebildet wird, fehlen große Teile der Gesellschaft und schaffen nicht den Sprung in alle prägenden Bereiche, wie zum Beispiel Politik und Justiz. Es gibt also noch viel zu tun.“

Die Veranstaltung kann demnächst als Podcast unter http://podcast.tlm.de/ nachgehört werden.
Die genannte Studie finden Sie unter: https://www.uni-rostock.de/fileadmin/uni-rostock/UniHome/Presse/Pressemeldungen/Broschuere_din_a4_audiovisuelle_Diversitaet_v06072017_V3.pdf

Info zur Veranstaltung auch hier: https://www.deutschlandfunk.de/gleichberechtigung-frauenquote-es-geht-nicht-anders.2907.de.html?dram:article_id=422007

Bilder: Astrid Hollmann und Thüringer Landesmedienanstalt

Dr. Christine Linke, Universität Rostock
v.l.n.r.: Johannes M. Fischer (Chefredakteur Thüringer Allgemeine), Annette Kümmel (Senior Vice President Governmental Relations & Regulatory Affairs ProSiebenSat.1 Media SE), Astrid Hollmann
(Bundesgenderbeauftragte VRFF Die Mediengewerkschaft), Prof. Dr. jur. Karola Wille (Intendantin des MDR)