Neues aus dem DBB Kreisverband Köln: GDL und Cockpit – die Buhmänner der Nation?

Ein Kommentar von Frank Schmidt, 1. Vorsitzender des DBB Köln

07.09.2014/DBB Köln/FS/Köln:

Kaum rollten die Züge nach der zweiten Warnstreikwelle der GDL am Samstag Vormittag wieder an, da kündigt unsere Fachgewerkschaft für ihre Mitglieder bei der DB AG die Urabstimmung für unbefristete Arbeitskampfmaßnahmen an. Das ruft natürlich sofort die Arbeitgeber auf den Plan und wieder einmal wird wegen den Lokführern, Zugbegleitern und Piloten der Untergang des Abendlandes heraufbeschworen und der Ruf einiger Politiker und Unternehmenslobbyisten zu einer gesetzlichen Reglementierung sog. „Mini-Gewerkschaften” und die Abschaffung der (bisher zumindest) verfassungsrechtlich geschützten Tarifpluralität gefordert.

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Die sonst so taffe Pipi Langstrumpf der SPD ist in dem Thema aber nicht wirklich zu beneiden. Erst flüstern ihr die Gewerkschaftsgenossen aus dem DGB ins Ohr, die Tarifautonomie gesetzlich einzuschränken, dann aber macht ihr die Basis einen Strich durch die Rechnung. Vor allem die Dienstleistungsgewerkschaft verdi hatte sich zunächst für die Tarifeinheit ausgesprochen, hat aber inzwischen erkannt, dass das Antasten des Streikrechts ein zu weitgehender Eingriff in die Arbeitnehmerrechte wäre. Wasch mich aber mach mich nicht nass, das ist schon eine nicht angenehme Lage, in die sich Frau Nahles Dank ihrer DGB-nahen Berater hinein manövriert hat.

Die Arbeitgeber fordern und die Gewerkschaftsgenossen bremsen, zumindest offiziell. Am besten wäre jetzt wohl abtauchen, Gesangsunterricht für die nächste Bundestagsdebatte nehmen und den Kräften des freien Marktes seinen Lauf lassen aber ganz so einfach geht dass dann doch nicht, denn immerhin hat Nahles Ihr Kind der gesetzlich erzwungenen Tarifeinheit in den Koalitionsvertrag geschrieben und nun?

Da kommt ein Arbeitskampf der GDL doch gerade recht. Spätestens dann, wenn sich die DB AG weiter ernst gemeinten Verhandlungen im Interesse der Beschäftigten verwehrt und die GDL zum unbefristeten Arbeitskampf aufrufen muß. Spätestens wenn sich Pendler die Beine in den Bauch stehen, weil kein Zug kommt oder der Service-Point unbesetzt ist, dürfte die Stimmung hin zu einer gesetzlichen Beschränkung der Tarifpluralität wieder lauter und die Stimmen für eine verfassungskonforme Umsetzung des Tarifrechts leiser werden.

Die Forderungen der GDL sind im Grunde jedoch “nur” Forderungen, wie sie jede Gewerkschaft nach ihren Statuten und Satzungen aufstellt und dann versucht, diese in Verhandlungen mit dem Arbeitgeber durchzusetzen.

Die aktuelle Forderung der GDL sind 5% mehr Gehalt, eine 37 Stundenwoche, Beschränkung der Überstunden und noch einige dringende Verbesserungen bei den Arbeitsbedingungen. Augenscheinlich also nichts, was nicht von jeder anderen Gewerkschaft auch gefordert wird, wenn man in Tarifverhandlungen eintritt nachdem der bisher geltende Tarifvertrages ausläuft.

Sind 5% zu viel?

Um die Frage zu beantworten, sollte man die Gewinne der Deutschen Bahn und die Tarifabschlüsse in anderen Bereichen in den Vergleich ziehen. Tut man dies, erkennt der neutrale Leser, dass 5% sicherlich nicht zu hoch gegriffen sein dürfte.

Die Forderung nach der 37 Stunden-Woche hört sich – zugegeben – erst an wie ein Relikt aus den 70er Jahren, ist aber auf dem zweiten Blick, zusammen mit der Beschränkung der Überstunden eine sehr wohl und den Nöten der Mitglieder geschuldete Forderung. Spätestens wenn die DB AG ihre Jahresbilanz vorlegt wird deutlich, dass die Mitarbeiter Überstunden angehäuft haben, die in der Summe für zusätzlich knapp 8.500 Vollzeitstellen bei der DB AG führen würden, eine Last, die momentan fast überwiegend vom Klientel der GDL getragen wird.

Sicher hat man auch in früheren Zeiten Schutzbestimmungen in den Tarifverträgen vereinbart, aber diese wurden vom Arbeitgeber oft ignoriert und zusammen mit teilweise schwachen Betriebsräten ausgehebelt. Im Ergebnis kann man also zusammenfassen, dass viele tarifvertraglich festgeschriebenen Arbeitsschutzmaßnahmen schlichtweg zu einer Farce verkommen sind. Die aktuelle Forderung der GdL ist mithin nicht nur gerechtfertigt, sondern zum Schutz der Arbeitnehmer und der Sicherheit der Bahnkunden unabdingbar.

Die gewerkschaftliche Konkurrenz der GDL forderte im Übrigen 6% mehr Gehalt, lässt dem Arbeitgeber dafür jedoch auch weitreichende Freiheiten bei z.B. der Ausgestaltung der Arbeitszeitmodelle.

Der Wunsch der GDL für alle ihre Mitglieder Verträge abzuschließen ist auch ein Anspruch, den es bei den sogenannten Einheitsgewerkschaften immer schon gegeben hat. Ein Hinweis an dieser Stelle: Der Begriff „Einheitsgewerkschaft“ wird heute oft dafür gebraucht um die GDL und Andere als Spalter zu beschreiben, die die Mütter und Väter des Grundgesetzes sicherlich nicht gemeint haben, als sie die Koalitionsfreiheit in unseren Grundrechten fest verankert haben. Alles quatsch, denn im ursprünglichen Sinn des Wortes “Einheitsgewerkschaft” fallen ALLE Gewerkschaften in Deutschland!

Recht gibt der GDL das Bundesarbeitsgericht, was im Jahr 2010 den bis dahin gültigen Grundsatz “ein Betrieb – ein Tarifvertrag” gekippt hat. Seither gilt also die Tarifpluralität, und auf nichts anderes beruft sich gerade die GDL auch in den aktuellen Verhandlungen.

Damit ist das Ziel der GDL eines, welches dem Grunde nach auch jede andere Gewerkschaft ebenfalls für sich beansprucht und dürfte damit sicherlich nicht als verwerflich beschrieben werden. Der Vorwurf, durch entsprechende Arbeitskampfmaßnahmen populistisch neue Mitgliederkreise zu erschließen, dürfte damit hinreichend widerlegt sein.

Eine Gewerkschaft kann und darf sich zudem nicht erlauben, Mitglieder erster und zweiter Klasse zu haben denn die Rechte eines jeden Mitarbeiters, egal aus welchem Bereich eines Betriebes er oder sie kommt, müssen für eine ernstgemeinte Gewerkschaft – die auf das Wohl der Mitglieder und nicht in erster Linie das des Betriebes bedacht ist – allem voran gestellt sein.

Die GDL fordert Tarifverträge für das Kernklientel der GDL und ist mit dieser Forderung schon länger unterwegs sodass die neuerliche Diskussion schon oft diskutiert wurde und offenbar immer dann aus dem Hut gezaubert wird, wenn dem Arbeitgeber die sachlichen Argumente ausgehen und die breite Öffentlichkeit bemüht werden muss, um die Unterwanderung von Mitarbeiterinteressen gesamtgesellschaftlich zumindest zu rechtfertigen.

Den Wunsch der Bahn, nach nur einem Tarifvertrag für die einzelnen Berufsgruppen bei der Bahn ist zwar aus Arbeitgebersicht verständlich, aber entspricht schlichtweg nicht der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung in unserer Republik, wonach es für den Arbeitgeber als zumutbar erachtet wird, dass entsprechende Forderungen durch Gewerkschaften dargestellt und ausgehandelt werden können. Es besteht somit keinen Zweifel daran, dass das Abkommen über die tarifliche Zuständigkeit bei der Bahn schlicht zu verlängern ist!

Dabei sollte auch einmal der Augenmerk darauf gelegt werden, dass v.b. Rechtsprechung in einigen Firmen in Deutschland bereits seit vielen Jahren mit Leben gefüllt wird. Die berechtigte Forderung der GDL ist somit in vielen Betrieben gang und gäbe, nur sind es meist nicht zwei Tarifverträge sondern solche, die unter dem Begriff Stammbelegschaft und Zeitarbeiter aufgeteilt werden. Auch hier sind unterschiedliche Bezahlungen und Arbeitszeitsysteme in den selben Arbeitsplänen möglich. Der kleine aber feine Unterschied ist, dass die Ausgestaltung oft dem Willen des Arbeitgebers entspricht und nur dadurch nicht als störend für den Betriebsfrieden betrachtet oder medial ausgeschlachtet wird.

Beim genauen hinsehen fällt also auf, dass es sich bei der aktuellen Diskussion um die Forderungen der GDL um nichts anderes handelt, als das, was bei jedem Tarifkonflikt in Deutschland auf der Agenda steht. Was bei der aktuellen Diskussion jedoch ständig präsent ist, ist das Problem, das wenn Cockpit und GDL streiken immer auch Dritte in diesem Kampf eingebunden werden, die mit der Auseinandersetzung grundsätzlich weniger zu tun haben. Gemeint sind damit die Kunden der Firmen und im Fall der DB damit also die Fahrgäste. Uns ist bewusst, das ein Arbeitskampf für viele sehr ärgerlich und auch mit persönlichen Einschränkungen verbunden sein kann. Dabei sollte man jedoch auch nicht vergessen, dass hinter jedem Arbeitskampf die Interessen tausender Beschäftigter im Focus stehen.

Ziel eines jeden Arbeitskampfes ist es, dem Arbeitgeber aufzuzeichnen, wie wichtig die Durchsetzung der Mitarbeiterinteressen auch für den jeweiligen Betrieb ist und die Verhandlungsführer der Arbeitgeber damit zum Umdenken und zur Dialogbereitschaft zu bewegen. Wenn beispielsweise bei Opel die Mitarbeiter streiken, dann stört es keinen, wenn sein Auto eben eine Woche später vom Band läuft, wenngleich mit Sonderschichten hier vieles auch wieder aufgearbeitet werden kann. Das ist bei einem ausgefallenen Zug natürlich nicht möglich. Die Gewerkschaften wie GDL und Cockpit gehen hierbei verantwortungsvoll mit den nötigen Mittel des Arbeitskampfes um. Das sieht man u.a. auch daran, dass Streikmaßnahmen angekündigt werden, sodass sich im Zweifelsfall jeder darauf einstellen kann. Verpflichtet sind die Gewerkschaften hierzu nämlich nicht, zumal das Risiko bei einer Ankündigung dazu führen kann, dass der Arbeitgeber die Arbeitskampfmaßnahmen durch z.B. verbeamtete Kräfte versucht zu unterwandern. Reine Theorie mag jetzt so mancher denken? Leider nicht und als Beweis muss man einfach nur ins Archiv vorangegangener Arbeitskämpfe blicken.

Ich persönlich nehme in dem Zusammenhang auch als Bahnfahrer gerne ein paar Unannehmlichkeiten in Kauf, denn das gehört einfach mit dazu wenn man in einem Land leben möchte, in dem die Meinungs- und Koalitionsfreiheit gelebt und nicht durch gesetzliche Beschränkungen massiv eingeengt wird. Das gelegentliche, streikbedingte warten auf den Zug sehe ich somit als meinen persönlichen Beitrag dafür, dass es den Menschen die Tag für Tag dafür Sorge tragen, dass ich zu meinem Job, Freunden oder kulturellen Veranstaltungen komme, im Beruf ein wenig besser geht. Es ist im Übrigen auch keinem damit gedient, wenn durch angeordnete Überstunden die Konzentrationsfähigkeit meines Lokomotivführers oder Piloten schwindet. Auch das sollte beim aktuellen Arbeitskampf und in der aktuellen Diskussion bedacht werden. Wenn jemandem schon egal ist unter welchen Arbeitsbedingungen Menschen heutzutage arbeiten müssen, so sollten die gleichen Kräfte auch daran denken, dass die aktuellen gewerkschaftlichen Maßnahmen auch Maßnahmen für die Sicherheit der Fahr- oder Fluggäste sind.

Es steht außer Frage, der DBB Köln wird den Kollegen/innen der GDL im aktuellen Tarifstreit natürlich zur Seite stehen. Wieso? Weil uns die Menschen bei der Bahn und die Sicherheit der Fahrgäste ein Herzensanliegen sind!