Die Mär vom „bösen Claus“ und seinen GDLern Was geht ab in den Medien??? Ein Kommentar von Anke Ben Rejeb

Es trug sich zu, dass neun Gewerkschafter (Spartengewerkschaften…) in einem Bus von einer Demo gegen das Gesetz zur Tarifeinheit der GroKo von Berlin gen Heimat (Köln/Bonn) fuhren. Voller Impressionen von Zusammenhalt, Solidarität und Vielfalt und im immer noch anhaltenden  Freudentaumel über die gelungene Veranstaltung entschied man sich dazu, das Radio anzustellen und stimmungsvoller Musik zu lauschen. Im Laufe der Fahrt wollte man sich auch die Nachrichten nicht entgehen lassen – und so erfuhr die Gruppe natürlich auch vom erneuten Streik des „bösen Claus“ und seinen GDLern…

Vielleicht sollte nicht unerwähnt bleiben, dass die GDLer des „bösen Claus“ vor wenigen Stunden noch Schulter an Schulter mit den Reisenden im Bus und den anderen Teilnehmern der Demo von Gewerkschaften des gemeinsamen Dachverbandes dbb gestanden hatten und sie alle zusammen ihren Unmut über das verfassunsgwidrige Gesetz zur Zwangstarifeinheit geäußert hatten. Das schweißt zusammen, nicht nur an Tagen wie diesen…

So war es dann auch ziemlich klar, dass die Reisenden sich ganz klar und deutlich mit den „Brüdern und Schwestern“ aus der GDL solidarisierten. Soweit, so gut.

Da man der Heimat immer näher kam und somit der lokale öffentlich-rechtliche Lieblingssender wieder zur Verfügung stand, wurde der Kanal gewechselt. Was man dort allerdings hörte, war doch recht schockierend. Von der „Scheiß GDL“ war unter anderem die Rede und das ohne erkennbare Ironie oder dergleichen… Auf Nachfrage eines Reisenden im Bus per Mail wurde dann insofern zurückgerudert, als dass man angab, der Moderator wollte lediglich vermitteln, dass ihn der Streik nerve – die GDL beleidigen wollen, wäre natürlich nicht die Intention gewesen…

Komisch,  irgendwie ist das ja neuerdings wieder modern,  so ganz im Ulbricht-Style: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“! Klar es hat auch niemand die Absicht, das Streikrecht einzuschränken  (Große Koalition) und  auch niemand die Absicht, die GDL zu beleidigen…

Nein, natürlich nicht! Was geht denn seitdem in der breiten Medienlandschaft ab?!? Die Bild ruft zum Telefonterror beim „bösen Claus“ auf, der Focus veröffentlicht Bilder seines Wohnhauses und kramt die vergrämte Ex-Frau raus, um den „bösen Claus“ als neuen Diktator und Staatsfeind Nummer Eins darzustellen. Die Express und andere Schmierblätter zaubern plötzlich Lokführer aus dem Hut, die nicht streiken wollen und das alles so voll doof finden (ohne dabei anzugeben, dass da beispielsweise ein Beamter dabei ist, der garnicht streiken darf und auch ein Mitarbeiter einer Privatbahn, wo derzeit kein Arbeitskampf stattfindet oder aber zwei Gruppenleiter, die ebenfalls nicht am Arbeitskampf beteiligt sind…). Das ist unterste Niveauschublade und zumindest von denkenden Menschen schnell zu durchschauen.

Viel bedenklicher in diesem Zusammenhang ist allerdings, dass sich offensichtlich auch die Öffentlich-Rechtlichen an dieser Propaganda beteiligen, denn für sie gelten nun einmal andere Maßstäbe. Die Öffentlich-Rechtlichen sind an die Vorgaben des Rundfunkstaatsvertrages gebunden.  Der Rundfunkstaatsvertrag (RStV) enthält bereits in seiner Präambel einen sehr wichtigen Hinweis auf die Aufgaben insbesondere auch des ÖRR:

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk und privater Rundfunk sind der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung sowie der Meinungsvielfalt verpflichtet.

Existenziell ist diesbezüglich insbesondere § 10 des RStV, der sich in Absatz 1 mit Berichterstattung und Informationssendungen befasst:

Berichterstattung und Informationssendungen haben den anerkannten journalistischen Grundsätzen, auch beim Einsatz virtueller Elemente, zu entsprechen. Sie müssen unabhängig und sachlich sein. Nachrichten sind vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Wahrheit und Herkunft zu prüfen.

Von „unabhängig und sachlich“ kann hier zum Teil aber nicht mehr wirklich die Rede sein, wenn der Streik selbst in der Tagesschau-Anmoderation zu einem dahingehenden Bericht mit „wahnwitzig“ tituliert wird. Die Veröffentlichung von fast ausschließlich negativen Äußerungen von Fahrgästen und anderen Menschen, die sich berufen fühlen, ohne jegliches Hintergrundwissen ein Statement zum Streik abzugeben, führt doch besonders dazu, dass ein hässliches Bild von Weselsky und den GDLern entsteht. Untermalt wird das Ganze dann in der ARD noch von Statistiken, die ebenfalls natürlich gaaaanz knapp zu Ungunsten des Streiks ausfallen, obwohl beim ZDF online eine Umfrage gestartet wurde, die fast von Anfang an ein deutliches Bild der Zustimmung zum Streik zeichnet.

Veröffentlicht wurden die ZDF-Ergebnisse natürlich bis dato nicht, passen sie doch nicht zur eigentlichen Absicht, die GDL als die „root of all evil“ darzustellen, die sowieso niemand mag und deren Forderungen so ziemlich jeder für total überzogen und unverhältnismäßig hält.

Unterstützt wird diese Taktik dann noch dadurch, dass eine Demonstration des dbb und dessen Fachgewerkschaften gegen ein mögliches Gesetz zur Zwangstarifeinheit in der Tagesschau in einen Bericht zum 4-tägigen Streik der GDL hineingeschnitten wird – was vermittelt das dem Einen oder der Anderen?!? Wer eine rosarote Brille trägt, würde daraus schließen, dass da ganz viele Gleichgesinnte zusammenstanden, um die GDL zu unterstützen – allerdings handelte es sich bei der Demo aber eben nicht um eine Demo zur Solidarität mit der GDL, sondern um eine Demo gegen ein Gesetz, das alle Fach- und Spartengewerkschaften tendenziell betrifft und nicht nur die GDL! Wer wiederum Böses denkt, würde aus der Berichterstattung schließen, dass alle dbb-Gewerkschaften nebst GDL in die gleiche Tonne gehören: Spartengewerkschaften sind halt doof, wollen nur Macht (sie haben ja schließlich Minderwertigkeitskomplexe wegen ihrer Größe…) und streiken deshalb fast ständig und ununterbrochen (die Statistiken zum Streik in Deutschland stehen hierzu absolut konträr), weil sie es total toll finden, den vom Streik betroffenen Menschen so richtig schön auf die Nerven zu gehen!!!

Natürlich läuft die Meinungsmache in den Öffentlich-Rechtlichen sehr viel perfider ab, als in den Printmedien und im Privatfernsehen (Holzhammertaktik) und wird dadurch auch sehr viel schwerer durchschaubar für den in der Regel mit maximal gefährlichem Halbwissen ausgestatteten Ottonormalbürger. Dass die Art der Berichterstattung der GroKo in die Hände spielt, die bei großer Unterstützung aus der breiten Masse natürlich ganz besonders motiviert, wenn nicht sogar gezwungen ist, dieses unsägliche Gesetz durchzubringen, merken am Ende die Wenigsten… Aber genau das darf der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk eben nicht! DAS ist bewusste Manipulation in Richtung der hierzu herrschenden Meinung in Politik (GroKo) und Wirtschaft (DB AG und BDA) und genau DAS widerspricht dem Gebot von Staatsferne und Unabhängigkeit, das für den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk eben gilt!

Die Reisenden aus dem eingangs erwähnten Bus haben das erkannt und werden sich hiergegen vehement zur Wehr setzen! Du/Sie auch!?!