Kulturwandel im NDR?

VRFF/Hamburg/JK: Wider der heftigen Proteste, sowohl von Mitarbeitenden des Norddeutschen Rundfunk als auch Bürgerinitiativen in den vergangenen Tagen, fand ein Besuch der AfD-Bürgerschaftsfraktion und der Desiderus-Erasmus-Stiftung am NDR-Standort Lokstedt statt.

Auch ich gehöre zu denen, die von Anhängern der AfD angefeindet wurden. Mit meinen 1,90 Metern, über 100 Kilo und Erfahrung in Selbstverteidigung bleibe ich für gewöhnlich gelassen. Aber wie geht es anderen Kolleg*innen damit, dass diese Demokratiefeinde in ihren bislang geschützten Raum kommen?

Diese Mitarbeitenden gilt es zu schützen – das hat u.a. auch der Hamburger Personalrat klargemacht!

Wer heute noch glaubt, dass diese in einzelnen Bundesländern als rechtsextremer Verdachtsfall eingestufte Partei einen Dialog suchen oder ernstzunehmend auf einen eingehen würde, dem möchte ich vor Augen führen, dass diese Menschen Mitglieder einer Partei sind, die in Teilen gesichert rechtsextrem ist. Diese Partei-Mitglieder sind sich dessen komplett bewusst (und auch die Wählerschaft kann sich da nicht mehr rausreden). Über was soll man also mit AfD- und Stiftungszugehörigen in Bezug auf unsere Arbeit diskutieren?

Die AfD und die DES nutzen die Möglichkeiten der Demokratie und Toleranz, um ihre Agenda der Demokratiefeindlichkeit und Intoleranz nach vorne zu bringen. Unsere Rolle in der Demokratie und der Gesellschaft ist klar und deutlich: Neutrale Berichterstattung, Meinungsbildung und das Ermöglichen einer wehrhaften Demokratie!

Die drei Gewerkschaften im NDR, DJV, ver.di und die VRFF, gaben gemeinsam ein Flugblatt heraus und riefen am 17. November 2023 um 15 Uhr zur Demo gegen diesen Besuch auf. Im Intranet des NDR machte der Personalrat auf die Ängste von Kolleginnen und Kollegen aufmerksam. Aufmerksam auf verbale und handgreifliche Attacken auf Reporter und Produktionsmitarbeitende.

Anstatt sich der Diskussion vom Personalrat zu stellen, machte die Leitung im Intranet einen eigenen Post auf und rechtfertigte ihre Entscheidung, den Besuch der AfD und seiner Stiftung, zuzulassen – sicherlich auch mit begründeten Argumenten. Warum aber erst, nachdem der Besuch durch externe Medien bekannt wurde und der Personalrat an die Betriebsöffentlichkeit ging?

Im NDR finden seit einigen Monaten mehrere Prozesse zum Kulturwandel statt, aufgerufen durch Probleme mit der ehemaligen Funkhausdirektorin und den Reimersbericht, in dem der Führungsstil der Leitung und vieler Vorgesetzten kritisch aufgedeckt wurde. Nun arbeitet man in diversen Kompetenzteams an verschiedenen Themenfeldern, die das Klima innerhalb des Betriebes verbessern sollen. Es zeigt sich aber mehr und mehr, dass vielleicht auch in Teilen der Führungsetagen darüber nachgedacht werden sollte, wie man sich gegenüber seinen Angestellten verhalten sollte. Nichtkommunikation, auch eine Form der Kommunikation, von der hat zu diesem Vorfall sehr viel stattgefunden.

Am 8. Dezember 2023 soll eine zweite Gruppe der Hamburger Bürgerschaftsfraktion der AfD und der Desiderius-Erasmus-Stiftung durch die Räumlichkeiten des Hamburg-Journal-Studios geführt werden, danach gibt es wieder Kaffee und Kuchen und die Möglichkeit für einen Austausch. Es wäre wünschenswert gewesen, auch diese Information aus den eigenen Reihen mitgeteilt zu bekommen, in NDR Inside ist davon aber nichts zu lesen. Es gilt nun, zwei Fragen zu klären: Wie kann im NDR besser kommuniziert werden? Und: Wie sollen der NDR und der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit der AfD umgehen? Ich wünsche mir für beides eine schnelle Lösung! Nach der für mich seit Jahren zurückliegenden Befragung zur Zufriedenheit der Mitarbeitenden hat sich für mich zu der ersten Frage nicht viel geändert. Für die zweite Frage habe ich noch Hoffnung. Vielleicht wird sie ja bis zum 8. Dezember beantwortet.