Fühle ich mich derzeit in meiner Tätigkeit bedroht? Mein persönlicher Blick als Kameramann des WDR auf die Pressefreiheit 2025. Von Andreas Volk
Vor fast genau 24 Jahren durfte ich für die ARD aus Inguschetien, einer kleinen Nachbarrepublik Afghanistans im Kaukasus, über den Start eines Protestmarsches von afghanischen Flüchtlingen berichten. Sie waren aus ihrem Land vor dem Krieg geflohen und machten auf ihre desolate Situation in den Flüchtlingslagern aufmerksam, indem sie aus Protest innerhalb von 80 Tagen nach Moskau marschieren wollten. Da es der russischen Regierung nicht genehm war, dass darüber überhaupt berichtet werden sollte, wurden der WDR-Korrespondent Udo Lielischkies und ich einfach durch die örtliche Polizei verhaftet und auf dem Polizeipräsidium wegen angeblicher fehlender Akkreditierung für mehrere Stunden festgesetzt, bis die Aktion der Flüchtlinge gewaltsam beendet war.
Damals habe ich mir keine Gedanken um meine Sicherheit gemacht. Ich hielt die Aktion der Sicherheitskräfte für eine Art Schauspiel, die uns an der unliebsamen Berichterstattung für die deutsche Öffentlichkeit hindern wollte. Ich hatte keine Gedanken daran, dass mir persönlich etwas geschehen könnte, dafür dass ich meinen Beruf ausübe. Schließlich bin ich für einen demokratischen Staat entsandt worden, indem die Pressefreiheit ein hohes Gut ist.
Einschränkungen der Pressefreiheit: Beispiel Ungarn, Beispiel USA
Heute sehe ich die Situation völlig anders und muss nicht mal in den inzwischen autoritären russischen Staat schauen, der unsere Korrespondenten durch Einreiseverbote zum Arbeiten aus der Ferne zwingt. Die Einschränkungen für die wichtige Arbeit von Pressevertretern nehmen auch in bislang demokratischen Staaten stetig zu. Bis vor einiger Zeit hätte ich nicht gedacht, dass es in der EU möglich wäre, die Pressefreiheit in irgendeiner Weise einzuschränken.
Lest hier das Interview mit Hubert Krech, Sprecher der AGRA, zum Internationalen Tag der Pressefreiheit.
Das Beispiel Ungarn erfüllt mich daher mit Sorge. Undenkbar war für mich auch, dass in den USA, einem Land, das beim Aufbau unserer Demokratie eine so wichtige Rolle gespielt hat, anerkannte Presseorgane vom Präsidenten als „Fake News“ beschimpft werden und ihnen der Zugang zum Weißen Haus verwehrt wird.
Freiheit der Berichterstattung im Grundgesetz verankert
Zum Glück lebe und arbeite ich in Deutschland, wo die Pressefreiheit im Artikel 5 unseres Grundgesetzes fest verankert ist: “Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.” (GG Art 5 (1)). Aber was bedeutet es, wenn vor der letzten Bundestagswahl unser Parlament darüber diskutiert, wie sehr man unser Bundesverfassungsgericht vor Angriffen von rechten Parteien schützen muss? Wenn es eine Bedrohung unserer höchsten Gerichtsbarkeit geben könnte, inwieweit ist dann nicht auch die Freiheit der Berichterstattung gefährdet?
Stimmt das noch genauso? Oder zensieren wir uns von der Presse nicht in gewisser Weise schon selber, indem wir dem Druck, dem wir stetig ausgesetzt sind, versuchen auszuweichen? Natürlich möchte sich niemand gerne einem Shitstorm auf social media Plattformen aussetzen. Aber welche Folgen haben zum Beispiel Ereignisse wie die sogenannte Oma-Gate-Affäre, als der Intendant des WDR einem solchen Shitstorm nachgab, dessen Druck leicht auszuhalten gewesen wäre. Welche Konsequenzen hat es für unsere Arbeit, wenn schon die nicht ernst gemeinte Umdichtung eines Kinderliedes uns nachgeben lässt.
Täglich Einschränkungsversuchen entgegenwirken
Ohne dem Druck von außen gegen uns angemessen Stand zu halten, wird zukünftig auch bei wichtigen Debatten unsere verbriefte Freiheit in der Berichterstattung immer mehr eingeschränkt werden. Die Pressefreiheit wird bedroht, im schlimmsten Fall durch uns selbst.
Ich fühle mich daher dazu aufgefordert, in meiner täglichen Arbeit als Kameramann, genau dem entgegenzuwirken. Indem ich permanent versuche, der Wahrheit so nah wie möglich zu kommen, und auch die Bilder mitbringe, die von welcher Seite auch immer nicht gesehen werden möchten. Auf diese Weise stehe ich persönlich für die Pressefreiheit ein.